07.06.2005 , 00:00:00 Uhr - Information - on
"Endlich hat die Liga durchgegriffen", war der Standardsatz, nachdem die HBL vor gut einer Woche ihre Entscheidung bekannt gab, insgesamt sechs Klubs die Lizenz für die kommende Saison zu verweigern. Ob nun durchgegriffen oder nicht: Immerhin hat die HBL ein mathematisch salomonisches Urteil gefällt, denn sowohl aus der ersten als auch den beiden zweiten Ligen waren jeweils zwei Klubs betroffen (Schwerin erhielt keine Lizenz für die Zweite Liga Nord), was zu der wundersamen Fügung führte, dass nach der abgelaufenen Saison kein Verein den sportlichen Gang in die Zweit- oder Drittklassigkeit antreten muss. Und selbst für mögliche Einsprüche war vorgesorgt: Erhält ein Klub über den Instanzenweg nachträglich die Lizenz, wird die betroffene Liga aufgestockt. Heute will der HBL-Vorstand eine Entscheidung über die Einsprüche der sechs betroffenen Vereine bekanntgeben, eine Korrektur der bisherigen Entscheidungen erwartet indes niemand.
HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann und Wirtschaftsprüfer Dr. Friedrichs haben vor der ersten Lizenzentscheidung dem 8-köpfigen Vorstand der Liga ihre Empfehlungen ausgesprochen, welcher Verein eine Lizenz erhalten solle und welcher nicht. Trotzdem kam es zu einer über achtstündigen Diskussion, nach Aussage von Ligapräsident Bernd-Uwe Hildebrand nicht über die zahlreich erteilten Auflagen sondern über die anstehenden Lizenzentzüge. Man habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, soll das heißen.
Wahrscheinlich ist das sogar richtig, immerhin musste auch der Vorstand gewusst haben, welche Unruhe seine Entscheidungen auslösen würde. Denn durch die Zusammensetzung des HBL-Vorstandes lässt sich nicht verhindern, dass der eine oder andere ein Profiteur der eigenen Entscheidung wurde. Ralf Uhdings VfL Fredenbeck darf etwa trotz des vorläufigen Insolvenzverfahrens gegen die Marketing-GmbH, die die Lizenz seines VfL gehalten hatte, weiterhin in der zweiten Liga spielen und einen Neuaufbau wagen. Zuvor hatte der ehemalige Geschäftsführer der GmbH, Gunnar Schmidt, Insolvenzantrag gestellt, was nach den Statuten die Verweigerung der Lizenz für die Folgesaison zur Folge gehabt hätte. Da der Antrag aber wegen "drohender" Zahlungsunfähigkeit gestellt wurde, öffnete sich ein Hintertürchen. Ob dieses Hintertürchen allerdings hätte geöffnet werden dürfen, weil "drohende" Zahlungsunfähigkeit gemäß der Lizenzierungsbestimmungen voraussetzt, dass "bis zum Zeitpunkt des Antrags alle fälligen Zahlungsverpflichtungen erfüllt wurden", erscheint angesichts der in den Medien vermeldeten ausstehenden Spielergehälter zweifelhaft. Jedenfalls hätten drittbetroffene Vereine - etwa sportliche Absteiger - zumindest eine Kerbe gehabt, in die sie vor einem Gericht hätten schlagen können. Die Vereine hätten argumentieren können, dass der "falsche" Antrag gestellt und dies von der HBL nicht bemerkt worden sei. Nun ist allerdings kein Kläger mehr da. Wo kein Kläger, da kein Richter.
HSV-Rettung folgte auf dem Fuß
Auch Gottfried Staiger vom VfL Pfullingen darf weiterhin mit dem kleinsten Etat die erste Liga überraschen und in der neuen Saison in Stuttgart ein neues Zuhause aufbauen. Und - ein sehr wesentlicher Punkt - auch der HSV brauchte sich nun keine Sorge mehr zu machen, dass das Insolvenzverfahren gegen die Omni-Sport GmbH vor dem 1. Juli eröffnet wird, was den Verlust der Spielberechtigung nach sich gezogen hätte. Der Insolvenzrichter brauchte jetzt bei seiner Entscheidung über den Zeitpunkt der Eröffnung Interessen dritter Vereine nicht mehr zu berücksichtigen, sondern konnte sich juristisch korrekt für einen späteren Termin entscheiden, was gemäß der Vereinbarungen der neuen und alten Spielbetriebsgesellschaft des HSV für die Gläubiger besser ist.
Folgerichtig verlautete vom Hamburger Insolvenzgericht keine 24 Stunden nach der Lizenzentscheidung, dass das Insolvenzverfahren gegen den Lizenznehmer Omni Sport GmbH nicht vor dem 1. Juli eröffnet werde - die endgültige Rettung für den HSV.
Das Profitieren anderer Vereine gibt den Lizenzverweigerungen einen faden Beigeschmack. Sowohl die Füchse Berlin, Willstätt aber auch TuSEM Essen sollen Opfer der Fristsetzungen der HBL gewesen sein. Während man jedoch Essen offiziell eine Fristverlängerung zugestanden hatte, war dies bei den Füchsen nicht der Fall. Die HBL weiß seit drei Jahren, dass der Verein aufgrund der Tatsache, ein eingetragener Verein zu sein, gar nicht in der Lage ist, alle Forderungen bei der Einreichung der Unterlagen zu erfüllen, beantwortete diese Tatsache bisher stets mit einer Geldstrafe von 500 Euro. Es fehlte wie in den Vorjahren begründet eine Unterlage, die fristgerecht zum 10. März bei der HBL hätte eingereicht werden müssen. Warum diesmal eine Geldstrafe nicht mehr ausreichte, bleibt zunächst das Geheimnis der HBL. Zumindest fraglich erscheint auch, ob die Verweigerung der Lizenz der Füchse wegen einer verspätet eingereichten Unterlage überhaupt vom "Strafrahmen" der Lizenzierungsbestimmungen gedeckt ist.
Zumal sich Juristen derzeit fragen, wie eigentlich über eine Fristverlängerung im Lizenzverfahren entschieden wird. Dies ist in den Lizenzierungsrichtlinien nicht an allen Stellen eindeutig geregelt. Dort steht nicht, nach welchen Kriterien eine Frist verlängert werden kann; bei einigen Fristen gibt es eine eindeutige, bei anderen gar keine Regelung, sondern lediglich einen "Strafrahmen" für deren Nichteinhaltung. Ein Umstand, auf den ein Erstliga-Manager schon vor Wochen die HBL erfolglos hingewiesen hatte.
Heute also wird der Vorstand der HBL seine Entscheidung über die Widersprüche der sechs Klubs bekanntgeben. Es ist zu erwarten - die Signale der Protagonisten deuten deutlich darauf hin - dass der Vorstand zur weiteren Gesichtswahrung keine Lizenz erteilen wird. Somit läge es als letzte Instanz am Schiedsgericht, ob es zu einer Aufstockung der Ligen kommt. Diejenigen Klubs, die der HBL einen Formfehler nachweisen können, haben spätestens da gute Karten.
Beschädigte Klubs, beschädigte Liga
Beschädigt sind die betroffenen Vereine aber allemal, selbst bei nachträglicher Lizenzerteilung. Der Ruf vom Pleiteklub, der sich mit juristischen Spitzfindigkeiten in die Liga gemogelt hat, wird den Klubs anhaften. Zudem laufen ihnen derzeit die Spieler weg, neue sind nicht zu bekommen. Somit würde ein Klub, der doch noch die Lizenz erhält, vor einem sportlich sehr schwerem Jahr stehen.
Das angeblich so harte Durchgreifen der HBL könnte sich in der Folge als Bärendienst erweisen, da diese arithmetische Lizenzverweigerung überzogen ist. Sicher, Klubs wie Wallau oder Hamburg haben eine wirtschaftliche Harakiri-Tour durch die Saison gemacht, haben sich Spieler geleistet, die sie nicht bezahlen konnten, wahrscheinlich sogar in den letztjährigen Lizenzunterlagen Zahlen hineingeschrieben, die nicht realisiert werden konnten. "Mit Vollgas gegen die Wand gefahren, ohne zu bremsen", beschrieb Kiels Manager Uwe Schwenker den Akt auf dem Drahtseil. Ein deutliches Zeichen der Liga war notwendig, um einen Selbstreinigunsprozess zu beginnen. Dass das bisherige Verfahren nicht zu befriedigenden Ergebnissen geführt hat, hat die HBL mittlerweile erkannt. Vereine, die sich in der vorläufigen Insolvenz befinden, sollen künftig schonungslos und nicht nur mit einem Punkte-Abzug bestraft werden. Glück für Fredenbeck und Hamburg, dass man die Insolvenz dank Gründung neuer Gesellschaften dann schon hinter sich hat.
Wer pleite ist, soll aus dem Spielbetrieb entfernt werden. Dies ist die einzige Möglichkeit, die Negativ-Schlagzeilen über die Pleite-Liga zu unterbinden. In diesem Punkt ist die HBL auf dem richtigen Weg. Mit ihren sechs Lizenzverweigerungen ist sie jedoch weit über das Ziel hinausgeschossen. Spätestens beim DHB-Schiedsgericht wird das ungebremste Zufahren der HBL auf die Wand abgebremst werden. Dann werden zwei oder mehr Klubs doch noch eine Lizenz erhalten, ein noch vollgepackterer Spielplan wird im Jahr der Europameisterschaft die Folge sein. Dies hätte man mit weniger Arithemitk bei der Lizenzvergabe verhindern können. Dann gäbe es aber zur neuen Saison aber eventuell keinen HSV Hamburg und keinen VfL Fredenbeck mehr im Profihandball...
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