"Unglaublich", krächzte Julius Kühn mit heiserer Stimme in das Mikrophon. Der Großteil der EM-Helden hatte nicht geschlafen und dafür den Sieg der Europameisterschaft mit jenem Einsatz und jener Leidenschaft ausgekostet, die sie zuvor auf dem Parkett gezeigt hatten und die sich bis zum Sensationscoup geführt hatte. Für Martin Strobel, als Aufbauspieler - als "Das Gehirn" vorgestellt, ist die EM-Zeit nur so verflogen: "Es ging so schnell vorbei. Am 27. 12. haben wir uns hier in Berlin getroffen, dann ging es zack - und jetzt stehen wir wieder hier - mit Medaillen um den Hals." Der Jubel und ohrenbetäubende Applaus kannte keine Grenzen mehr.
Die Euphorie, die nicht nur am Montag in Berlin herrschte, sondern über das gesamte Turnier die Nationalmannschaft in Polen erreichte, hatte eine besondere Bedeutung. Beispielsweise die Motivationsvideos von Stefan Kretzschmar und weiteren Sportprominenten sorgten für immer mehr steigende Aufmerksamkeit des Turniers. In den sozialen Medien war immer mehr die Rede vom Handball, der Zuspruch und die Unterstützung wuchs täglich. "Man realisiert dann ein bisschen, welchen Stellenwert das Ganze hat, dass viele Leute das mitbekommen", sagte Erik Schmidt.
"Es ist einfach ein unbeschreibliches Gefühl", fügte auch Finn Lemke an, der auf der Berliner Bühne am Montag eine spezielle Szene von vor dem Finale nachspielte. In der Kabine gab es einen Moment der Stille, in welchem Lemke das Wort ergriff: "Heute nicht, heute ist unser Tag, heute kann uns niemand schlagen." Das Publikum antwortete wiederum mit tosendem Applaus.
Im Einzelgespräch wurde Hendrik Pekeler gefragt, woher dieser unglaubliche "Todesblick" im Spiel gegen Spanien kam: "Der hatte sich im Laufe des Turniers entwickelt", sagte Pekeler selbstbewusst und lächelte. Sinnbildlich für diesen Erfolg war die Lockerheit und eben jenes Selbstvertrauen in die eigene Stärke. Hatte er diesen wilden Blick selbst noch einmal zu Gesicht bekommen? "Ja, er wurde mir später auf Video gezeigt. Man muss schon fast sagen, dass es ein bisschen verstörend wirkte", antwortete Hendrik Pekeler diesmal mit einem Lachen.
Symbolträchtig war dieser Blick für die Begegnung und die gesamte Abwehrleistung der deutschen Mannschaft - "Ihr haltet uns heute nicht auf", diese Botschaft strahlte jede Geste aus und beeindruckte die Spanier. Zwar war der furchteinflößende Blick laut Pekeler nicht der ausschlaggebende Grund für den Erfolg, dafür aber der Zusammenhalt des Teams: "Wir alle zusammen haben die Spanier genug eingeschüchtert und deswegen gewonnen."
Zu einem Heimspiel wurden die Feierlichkeiten derweil für Bundestrainer Dagur Sigurdsson und Fabian Wiede. Sigurdsson, der nach dem Ende seiner Laufbahn bei den Füchsen Berlin weiterhin mit seiner Familie in der Hauptstadt wohnt, ließ deutlich verlauten: "Das ist meine Heimat. Es ist unglaublich schön, hier mit euch diesen Sieg zu feiern." Fabian Wiede, der in der Max-Schmeling-Halle seinen Durchbruch mit den Füchsen Berlin schaffte, zeigte sich nach dem Event genauso überwältigt: "Das ist natürlich einzigartig mit den Leuten, die einen hier förmlich in die Halle reingetragen haben! Im eigenen Wohnzimmer mit den Fans den Europameistertitel zu feiern, hat riesig Spaß gemacht. Ich hatte Gänsehaut."
Euphorie kann zwar auch Risiken wie Überheblichkeit entfachen, doch die Verantwortlichen und Spieler wirkten weiterhin bodenständig. Fabian Wiede betonte: " Wir wurden ja auch schon viel gefragt, ob wir demnächst als Favorit in ein Turnier gehen. Wir sind nicht der Favorit, wir haben immer noch eine junge Mannschaft." Doch weitere Chancen räumt der Linkshänder in naher Zukunft ein: "Natürlich haben wir ein überragendes Turnier gespielt und wenn wir das wiederholen, können wir wieder vorne mitspielen. Aber erst müssen wir es auch schaffen, die konstanten Leistungen halten zu können. Dann ist alles möglich."
Kai Häfner fasste es kurz zusammen. Was bedeutet der Sieg bei einer EM: "Alles! Jeder hat für jeden gekämpft, es wurde alles in die Waagschale geworfen. Das ist alles toll geworden und jetzt freuen wir uns hier über diesen tollen Moment. Die Mannschaft hat sich toll entwickelt. Diese Entwicklung wollen wir jetzt natürlich auch noch vorantreiben."
Generell kam auch in dieser Feierstunde jeder Spieler zu Wort, wie im Turnier - die Verantwortung trug das Team und kein einzelner Superstar. DHB-Präsident Andreas Michelmann war mitten drin in der Euphorie: "Das ist Wahnsinn! Die gesamte EM war Wahnsinn. Nach der Party habe ich von 4 Uhr bis 6:30 Uhr geschlafen und fühle mich jetzt topfit!"
DHB-Vizepräsident und Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning zeigte sich ebenfalls höchst erfreut, auch wenn der Weg nach Berlin ein bisschen schwieriger war: "Die größte Aufgabenstellung war eigentlich, dass wir die Jungs in den Bus zum Flughafen bekommen und diese dann so hier zu präsentieren, dass es keinem auffällt. Es hat zum Glück alles gepasst und es war dementsprechend eine schöne und gelungene Feier. Das war die absolute Krönung für die Mannschaft und ein toller Empfang hier."