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Füchse Berlin
06.10.2020|Information|khe

Kretzschmar: "Ich kenne kein emotionaleres Spiel zurzeit in der Handball-Bundesliga."

Stefan Kretzschmar, Jahrgang 73. Geboren in Leipzig, aufgewachsen im Berliner Osten der DDR. Ausführlich spricht der Sportvorstand der Füchse Berlin über die Wiedervereinigung, die ausgeprägte Rivalität mit dem SC Magdeburg und seine besten Handball-Jahre beim SCM.

Kretzschmar im Gespräch mit Torsten Jansen
© Bildnachweis: Foto Lächler

Du kommst ganz klar aus einer Handball-Familie, oder?

Ich war schon früher immer in der Halle als meine Mama noch in Leipzig gespielt hat. Bin dadurch relativ zeitig infiziert worden und dann hat mein Papa mich glaube ich mit sechs Jahren bei einer Schulsportgemeinschaft in Berlin angemeldet. Dann nahm es seinen Lauf.

Mit 18 Jahren hast du schon Bundesliga mit Blau-Weiß Spandau gespielt? Was war das für eine Zeit, so kurz nach der Wende?

Das war die zweigeteilte 1. Liga nachdem die Mauer fiel. Damals war die Bundesliga ein Jahr lang zweigeteilt, weil die Ost- und Westmannschaften auf Augenhöhe standen und dann wurden die Ligen wieder zusammengelegt. Wir haben da aber die Qualifikation mit Spandau nicht geschafft und sind dann in die zweite Liga gegangen. Da habe ich auch noch ein Jahr gespielt.

Darauf folgten drei Jahre beim VfL Gummersbach und dann der Schritt zum SC Magdeburg, dem heutigen Gegner. Was war das für ein Gefühl, aus der ehemaligen DDR weit in den Westen nach Gummersbach und zurück zu gehen?

Die Zeit um die Wende war allgemein sehr spannend. Ich wäre eigentlich auch gerne in Berlin geblieben, weil das natürlich das Epizentrum des kulturellen Niveaus war zu dem Zeitpunkt, als die Mauer fiel. Ich glaube es gab keine spannendere Stadt zu der Zeit als Berlin Anfang der 90er. Das hat mir natürlich als Teenager schon Spaß gemacht, das war schon abenteuerlich. Aber dann hat Gummersbach mir ein Angebot gemacht und es war dann doch mehr oder weniger so, dass meine Eltern gesagt haben, wenn aus dir was werden soll, wäre das jetzt vielleicht kein schlechter Schritt. Bis dato eigentlich nicht aber ab dem Zeitpunkt waren meine Eltern dann schon der treibende Teil, zumindest bei der Entscheidung, nach Gummersbach zu gehen. Das hat mir dann aber auch nicht geschadet. 93 bis 96 beim VfL Gummersbach war ´ne verdammt gute Zeit. Ich hatte Glück, mich dort dann ganz auf den Sport zu konzentrieren, was mir in Berlin zu der Zeit vielleicht nicht so gut gelungen wäre. War zwar nicht so erfolgreich, aber vom Zusammenhalt war das schon ´ne großartige Truppe.

Jetzt jährt sich die Wiedervereinigung zum 30. Mal. Was bedeutet das für dich als Sportler und als Mensch?

Ich hatte ja Glück, in einer Generation groß zu werden, in der ich das noch miterleben durfte. Den meisten meiner Spieler muss ich ja erklären was das überhaupt war, einige von denen kamen ja erst nach der Wiedervereinigung zur Welt. Die wissen ja gar nicht, dass die Stadt mal geteilt war außer aus dem Geschichtsunterricht. Ich konnte das in einem coolen Alter mit 16 Jahren miterleben. Für mich ist das natürlich perfekt gelaufen. Die großartige Ausbildung in der Kinder- und Jugend-Sportschule in Berlin bei Dynamo genießen und daraus dann im Westen Kapital schlagen. Perfekter hätte es glaube ich nicht laufen können. Menschlich ist es natürlich großartig in einem wiedervereinten Deutschland aufzuwachsen, klar.

Zurück zum Sport. Elf Jahre SC Magdeburg. Um die Jahrtausendwende hast du die erfolgreichste Zeit mitgestaltet. CL-Sieger, Deutscher Meister. U.a. mit Bennet Wiegert, dem jetzigen Trainer. Oder Größen wie Olafor Stefannson und Joel Abati. Was bleibt dir aus dieser erfolgreichen Zeit im Kopf?

Ich hätte mir keinen schöneren Ort vorstellen können als Magdeburg, um elf Jahre meines Handballerlebens irgendwie abzureißen. Denn das ist in meinen Augen der leidenschaftlichste Handballort in Deutschland. Das ist manchmal negativ aber meistens positiv. Klar scheuen deine Fans auch nicht davor, dich mal auszupfeifen, wenn du scheiße spielst zuhause. Aber der Zuschauerfaktor in der Bördelandhalle war schon enorm und hat gepusht. Man hat mich damals nach Magdeburg geholt mit der Vision, in Person von Bernd Uwe Hildebrandt, Kretzsche, wir wollen Deutscher Meister werden und wir wollen auch die Champions League gewinnen. 1996 hörte sich das noch relativ lächerlich an aber hinter der Vision stand ein Plan. Nämlich eine neue Halle zu bauen, auch das hat keiner dem SC Magdeburg zugetraut. Eine Arena mit 7500 Leuten zu füllen war eigentlich illusorisch. Aber all die Visionen haben sie dann doch umgesetzt und haben eine super Mannschaft zusammengestellt. Mit Stefannson, Abati, Kuleschow auf der Mitte. Perunicic noch dazu im Champions-League-Jahr. Dazu noch die Eigengewächse Theuerkauf, Sprenger, Grafenhorst, Wiegert, Schöne. Das war eine sau starke Zeit und eine super Mischung. Wenn du dann natürlich in der Zeit auch noch erfolgreich bist in Magdeburg, Deutscher Meister wirst, die Champions League gewinnst, gibt&rsquot;s glaube ich keinen Ort, an dem du mehr Legendenstatus bekommst als dort. Ich sage immer, einmal mit Magdeburg oder Berlin oder Lemgo Deutscher Meister zu werden ist besonderer als 15 Mal mit Kiel. Das ist dann einfach was Herausragendes und die Leute wissen das dann auch einfach zu schätzen. Was man dort dann in der Zeit miterlebt hat, nämlich dass ein besonderes Gefühl des Stolzes der Fans entstanden ist. Weil ihr SC Magdeburg eben beste Mannschaft der Welt 2002 war. Das kann man mit Geld nicht bezahlen und mit Emotionen nicht beschreiben. Das ist was so Besonderes, das kann mir keiner mehr nehmen, das kann der Mannschaft keiner mehr nehmen und auch den Fans nicht. Deshalb werde ich emotional auch auf ewig mit dem SC Magdeburg verbunden sein.

Schlagen denn drei Herzen in deiner Brust für Berlin, Leipzig und Magdeburg?

Ne, da muss man ehrlich sagen, für den Ort, an dem ich arbeite, schlägt auch mein Herz. Anders könnte ich diesen Job auch nicht machen., weil er viel mit Emotionalität zu tun hat. Wenn es emotional nicht erklärbar wäre, würde ich einen Job auch nicht annehmen. Meine Identifikation liegt bei den Füchsen und mein Herz schlägt auch für die Füchse, das muss ich jetzt auch nicht leugnen oder verstecken. Ich bin aber natürlich emotional für immer mit Leipzig und auch mit Magdeburg verbunden. Das ist überhaupt keine Frage. Das es für mich immer etwas Besonderes bleiben wird, ist auch klar. Aber ich muss mich, wenn ich eine Aufgabe annehme, emotional reinsteigern können und dann auch voll dabei sein. Deswegen ist da mein Herz auch nicht dreigeteilt, sondern voll und ganz in Berlin.

Wie ist es, wenn wir heute direkt auf den SC Magdeburg treffen?

Im Gegensatz zu den Magdeburgern spiele ich das nicht herunter. Natürlich ist das ein Prestige-Duell und natürlich möchte man besonders gegen Magdeburg gewinnen. Das ist ein Derby auch wenn die Magdeburger das aus irgendwelchen sinnlosen politischen Sichten nicht sehen, ist das geografische ein 1-A-Derby, genauso wie es ein Derby gegen Leipzig ist. Und es hat einen besonderen Charme und Charakter. Und mit der Vergangenheit, die ich habe, ist mir das Spiel natürlich auch persönlich wichtig. Klar möchte ich heute mit den Füchsen der Sieger sein und die Jungs da sicherlich noch mal extra heiß machen.

Im Podcast hast du erwähnt, vom ein oder anderen Magdeburg-Fan wirst du nicht mehr freundlich begrüßt, um das milde auszudrücken. Wie gehst du damit um?

Ganz ehrlich, sowas legt sich kaum mit der Zeit. Man muss darüber ja nicht diskutieren. Klar ist das für die Leute, die mir in Magdeburg wichtig sind, jetzt ungewöhnlich, dass ich in Berlin sitze und vielleicht hätten einige mich auch lieber an ihrer Seite. Aber so ist es und das macht auch eine gesunde Rivalität aus. Na klar ist es immer so, dass wenn man in der Öffentlichkeit steht, eine gewisse Eitelkeit mit daherkommt. Man liest lieber positive Dinge über sich als negative. Da würde ich lügen, wenn es nicht so wäre. Allerdings darf man Kritik bzw. Beleidigungen nicht zu nah an sich ranlassen und die nicht zu ernst nehmen. Das würde einem selbst und dem Leben schaden. Klar, mich ärgert sowas manchmal, aber ich habe die Entscheidung so getroffen, zu den Füchsen zu gehen und das zu 100 Prozent mit voller Rückendeckung und ich wusste, dass das einigen nicht gefallen wird. Es gibt nun mal auch immer eine Rivalität um die Nummer 1 im Osten zwischen Magdeburg und Berlin. Jahrelang war das überhaupt keine Frage, da war es der SCM, als die Füchse gerade hochkamen. Dann hatten die Füchse einige Zeit die Nase vorne und in den letzten Jahren ist das Ruder wieder umgeschlagen und wir würden es halt jetzt, und auch ich persönlich, gerne wieder rumreißen.

Wie ist das Verhältnis zum jetzigen Trainer Bennet Wiegert?

Wir haben vor drei Wochen oder so erst wieder telefoniert, als er mir zur Verpflichtung von Valter Chrintz gratuliert hat. Dann haben wir länger gesprochen. Ich würde sagen, ich bin mit Benno befreundet. Wir waren jahrelang Zimmernachbarn auf Auswärtsfahrten. Das hat gepasst wie Arsch auf Eimer. Wir verstehen uns einfach gut, er respektiert mich und ich respektiere ihn und da wird immer ein freundschaftliches Verhältnis bleiben, egal wie unsere Mannschaften gegeneinander spielen.

Wie siehst du den SC Magdeburg aktuell aus sportlicher Sicht?

Mit dem Klub ist immer zu rechnen. Ich glaube, dass sie ein sehr homogenes Team haben, was in der Klasse der Spieler engmaschig genäht ist. Also da gibt es keinen großen Kader, den der SC Magdeburg hat. Von daher ist die Gefahr da, dass die Alternativen fehlen, wenn wichtige Spieler ausfallen. Benno hat sich für diesen Weg entschieden, weil er mit seinen Top-Spielern maximal arbeiten möchte und deshalb sich auch keinen großen Kader leisten will und auch aufgrund der ökonomischen Gegenebenheiten vielleicht gerade auch nicht kann. Aber die Spieler die da sind, gerade die erste Sieben, mit Damgaard, Bezjak oder O&rsquot;Sullivan. Das sind natürlich Weltklasse Spieler, da müssen wir ja nicht drüber reden. Wenn die fit sind über die Saison hinweg, hat der SCM auch die Möglichkeiten, um die Champions-League-Plätze zu spielen. Ich glaube, dass der Klub am meisten darunter leiden wird, dass man ohne Zuschauer spielen muss. Denn die Halle ist dort schon ein enormer Faktor. Es könnte sein, dass der Druck, der normalerweise von den Rängen kommt auf Gegner und Schiedsrichter, nicht so stark sein wird. Und vielleicht deshalb gegnerische Mannschaften mit weniger Ehrfurcht nach Magdeburg fahren. Aber sportlich hat Benno seinem Team eine ganz klare Handschrift gegeben und es macht Spaß, dem SCM zuzugucken. Mir gefällt es echt gut, was er dort die letzten Jahre auf die Beine gestellt hat.

Was erwartest du für ein Spiel heute?

Ich meine, den SCM kennt man. Die werden von ihrem Trainer richtig heiß gemacht, weil es auch für sie ein Prestige-Duell ist. Bei uns sind halt schon noch ein paar Fragezeichen da. Die neuen Spieler müssen noch integriert werden und da muss man den Jungs sicherlich auch noch etwas Zeit geben. Trotz allem haben wir die Qualität, Zuhause das Spiel zu gewinnen. Davon bin ich zu hundert Prozent überzeugt. Ich denke, dass es ein schnelles Spiel wird mit Gegenstößen und Zweiter Welle. Wenngleich auch beide Teams eine gute Abwehr stellen können. Ich glaube es wird hart, es wird ordentlich zur Sache gehen. Was ist Magdeburg gegen Berlin? Ich kenne kein emotionaleres Spiel zurzeit in der Handball-Bundesliga.

Und auf die komplette Saison gesehen?

In erster Linie sehe ich uns breit aufgestellt und das kommt uns schon jetzt zu Gute. Weil wir schon wieder mit drei, vier Verletzungen zu kämpfen haben. Ich glaube, dass diese Saison überproportional viele Verletzungen geschehen werden, trotz der langen Pause. Über Zuschauer brauche ich nicht mehr zu reden, es ist wie es ist und wir können nur hoffen, dass spätestens 2021 wieder die Hallen einigermaßen voll sein dürfen. Und sportlich ist es glaube ich eine der spannendsten Saisons jemals. Mehrere Mannschaften spielen um den Deutschen Meistertitel und dahinter schicken sich wie Mannschaften wie Lemgo oder Leipzig an, in die Phalanx einzubrechen. Oder auch Erlangen. Und es wird immer wieder eine Überraschungsmannschaft geben wie es Hannover letztes Jahr war. Also ich freue mich tierisch auf die neue Saison.

Vielen Dank für das spannende Gespräch.




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